Nachwuchs dringend benötigt – Richterausbildung der Landeskommission Rheinland-Pfalz

89 Richter Reiten stehen auf der Richterliste der Landeskommission Rheinland-Pfalz. Ihr Durchschnittsalter: 57 Jahre. Bei den 37 Richtern, die über die Grundqualifikation hinaus in der Dressur bis Klasse M, S oder Grand Prix richten dürfen, sind es knapp 62 Jahre. Und die Richter, die im S-Springen oder in Vielseitigkeitsprüfungen der Klasse L zum Einsatz kommen dürfen, sind im Schnitt gar 68 Jahre alt. Das Richterkollegium hat ein Nachwuchsproblem und das kann gravierende Folgen haben.

Das sieht auch Bruno Eidam so. Der Vorsitzende der Landeskommission für Pferdeleistungsprüfungen in Rheinland-Pfalz findet klare Worte: „Wer soll in zehn Jahren noch richten? Wer soll die jetzigen Reitanfänger in zehn Jahren in der L-Dressur richten? Wenn die jüngeren Leute sich nicht engagieren, steuern wir auf ein echtes Problem zu.“ Bruno Eidam ist zudem Landestrainer der Nachwuchs-Dressurreiter und selbst Richter. Er kennt die Wichtigkeit dieses Amtes aus verschiedenen Perspektiven: „Die Richter auf dem Turnier sind ein elementarer Teil des Systems ‚Reiten und Ausbildung‘. Es wird so geritten, wie die Richter es sehen wollen, daher sind sie eine wichtige Instanz, auch in der Zucht.“ Früher sei das Richteramt – ein Ehrenamt – mehr eine Berufung gewesen, es sei eine höhere Bereitschaft zum Engagement da gewesen. Eins ist für Eidam nämlich ganz wichtig: „Ich glaube, man braucht Leidenschaft für den Pferdesport. Es sind lange Einsatzzeiten und wenig Geld, da geht es nicht ohne Leidenschaft.“

Leidenschaft ist wichtig, aber nicht die einzige Voraussetzung für die Laufbahn als Richter. Neben formalen Kriterien wie dem Mindestalter von 21 Jahren, einem einwandfreien polizeilichen Führungszeugnis sowie Wohnsitz und Vereinsmitgliedschaft in Rheinland-Pfalz kommt es vor allem auf fachliche Kriterien an. „Da gibt es ganz verschiedene Möglichkeiten, die viele aktive Reiter oder Ausbilder ohnehin erfüllen“, sagt Klaus Blässing vom Pferdesportverband Rheinland-Pfalz. Dazu gehören abgeschlossene Ausbildungen zum Trainer Reiten oder als Pferdewirt beziehungsweise Pferdewirtschaftsmeister mit Platzierungen im Turniersport oder auch der Weg über die Qualifikation Richter Reiten Vorbereitungsplatz. Nach einem Eingangsseminar und einer Aufnahmeprüfung ist der Bewerber dann Richteranwärter. Dieser Status bleibt für mindestens ein und höchstens vier Jahre, in dieser Zeit müssen diverse Testate erworben werden, die der Richteranwärter auf Turnieren bei einem erfahrenen Richter ablegt, sowie je Disziplin zwei Gutachten. Nach der Teilnahme an Vorbereitungslehrgängen kommt dann die Grundprüfung. Ist die bestanden, kann der Bewerber Dressur- und Springprüfungen bis Klasse L, Basisprüfungen wie Eignungs- und Reitpferdeprüfungen sowie Wettbewerbe nach WBO richten.


„Als Fachkraft gehört man an den Richtertisch“

„Wahnsinnig viel Aufwand“, beschreibt Sonja Meyer die Ausbildung zum Richter. Die 32-Jährige ist seit sechs Jahren selbständig und bildet bis zur Klasse S aus. 2018 legte sie ihre Prüfung zur Pferdwirtschaftsmeis-terin ab, doch schon davor hatte sie die Grundrichterprüfung ins Auge gefasst. „Ich bin selbst Turnier geritten und wollte die Richter besser verstehen. Es ist eine gute Ergänzung als Ausbilder, man erwirbt mehr Verständnis für die andere Seite“, erklärt sie ihre erste Motivation. „Und ich finde, als Profireiter und Fachkraft gehört man einfach an den Richtertisch.“ Als Richteranwärterin durfte Sonja Meyer in Prüfungen mit gemeinsamem Richtverfahren neben einem qualifizierten Kollegen als zweite Richterin eingesetzt werden, etwa zwei Veranstalter pro Jahr haben sie regelmäßig eingeladen – eine gute Möglichkeit für sie, Testate zu erwerben, eine Kosteneinsparung für den Veranstalter, denn Richteranwärter erhalten weniger Aufwandsentschädigung als Richter. Erfahrung hat die 32-Jährige also schon gesammelt. Sie gibt zu: „Ich hätte es mir leichter vorgestellt.“ Unterschätzt habe sie die Konzentration während langer Prüfungen und: „Man muss halt damit leben können, dass man nicht immer richtig liegen kann.“ Dennoch: „Es ist sehr spannend.“

Für Sonja Meyer muss das Richten vereinbar mit ihrem Hauptberuf sein, sie sieht sich in erster Linie als Reiterin und Ausbilderin. Das ist auch kein Widerspruch, sagt sie, denn durch ihre Einsätze hat sie trotzdem eine gewisse Routine erworben und vermeidet durch regionale Turnierauswahl Befangenheits-Konflikte bezüglich ihrer Schüler oder eigener Starts. „Wenn ich mal weniger reite, werde ich dann auch mehr richten.“ Diese beiden Ansätze, das Verstehen und das „Später“, die haben auch Bruno Eidam an den Richtertisch gebracht: „Ich wollte Reiten durch die Brille des Richters sehen. Es hat mir viel für meine eigene Ausbildung und das Training gebracht. Außerdem wollte ich weiterhin aktiv am Pferdesport teilnehmen, auch wenn ich nicht mehr aktiv im Sattel bin.“ Und in noch einem Punkt stimmt er mit Sonja Meyer überein: „Selbst reiten und richten ist kein Problem.“ Auch als Trainer hat er selten Konflikte: „Klar, im engeren Umfeld muss man schauen, aber es ist gut machbar.“ Seit fünf Jahren ist Eidam erst Richter, hat seither die Höherqualifikation für Aufbauprüfungen (Dressur-/Springpferdeprüfungen bis Klasse L) und M-Dressur gemacht und strebt die S*-Zulassung an. „Ich habe viel zu spät angefangen“, konstatiert er. Damit ist er nicht alleine: Die 13 aktuellen Richteranwärter Reiten in Rheinland-Pfalz sind im Schnitt 42 Jahre alt. Der Begriff „Nachwuchs“ ist also relativ. „Fangt früh genug mit der Grundrichterprüfung an“, appelliert Bruno Eidam. „Man sollte nicht darauf warten, dass man selbst nicht mehr im Sport aktiv sein kann.“


Unterstützung und Mentoring

Neben Bruno Eidam setzen sich auch andere Richter dafür ein, mehr Nachwuchs für dieses Ehrenamt zu gewinnen. Auch Sonja Meyer fühlte sich durch die Unterstützung der erfahrenen Kollegen motiviert: „Es gibt tolle Richter wie Ursula Pleines, Martin Kröninger oder Rainer Mohr, die immer als Ansprechpartner für mich da waren. Es gibt sehr bemühte Richter, bei denen man immer mit kann. Auch Pascal Strohbücker hat mich viel gefördert, vor allem vor der Prüfung.“ Dennoch: Der Großteil sei Selbstorganisation, sagt Meyer und hier wünscht sie sich Verbesserungen: „Ein besserer Austausch unter den Richteranwärtern würde mehr motivieren.“ Auch sei es teilweise schwierig gewesen – nicht nur jetzt im Corona-Jahr, wo sie gar keine Testate habe machen können –, genug Veranstaltungen zu finden. „Meine Springprüfungen hatte ich nach anderthalb Jahren Richteranwärter zusammen, aber die Dressurprüfungen waren problematisch. Jede Prüfung dauert viel länger, dadurch hat man weniger Einsätze und dann werden beispielsweise die L**-Prüfungen oder Reitpferde- und Eignungsprüfungen sehr selten ausgeschrieben.“ Am Ende sei sie aus Rheinland-Nassau bis in die hinterste Pfalz gefahren, um das Testat in der Eignungsprüfung zu machen: „Es war nichts ausgeschrieben.“ Eine Möglichkeit, die Richteranwärter besser zu unterstützen, könnte eine engere Vernetzung mit den Veranstaltern sein, sagt Annika Stahl, die sich in der Geschäftsstelle ebenfalls für Verbesserungen und mehr Richternachwuchs einsetzt.

Interessenten für die Richteranwartschaft rät Bruno Eidam: „Am besten kommt man mit einem Richter ins Gespräch, dann hat man auch gleich einen Mentor an der Seite. Es gibt viele gute Richter, die die Anwärter gerne begleiten.“ Eins ist für Eidam auch in der Hinsicht wichtig: Fachwissen. „Denn nur so kann man Gespräche auf Augenhöhe führen.“ Das Rüstzeug als Richter lerne man dann, sagt Eidam, der vor unnötiger Scheu warnt: „Man wächst an seinen Aufgaben.“ Und er weiß, wovon er redet, erinnert er sich doch an eine E-Dressur zur Beginn seiner Laufbahn, wo er der Protokollführerin noch Bemerkungen zur Volte an der langen Seite zu Beginn der Aufgabe diktierte, als der Reiter schon zum Schlussgruß bei X stand. „Aber auch da hat man am Anfang Hilfe von den Kollegen.“


„Wir brauchen die besten Richter an der Basis“

Kann man überhaupt eine L-Dressur richten, wenn man selbst keine zehn gewonnen hat? Ist man ein guter Richter in Klasse M, wenn man dort nie erfolgreich war? Auch hier empfiehlt Bruno Eidam: „Keine Scheu, wenn man selbst nicht hoch genug geritten ist!“ Nicht jeder muss gleich die Karriere am Richtertisch im Grand Prix anstreben. Im Gegenteil: „Wir brauchen die besten Richter eigentlich in den niedrigen Prüfungen an der Basis. Die Grundausbildung ist das Wichtigste!“ Eidam sagt, es gehe auch darum, den Einsteigerbereich mit Leidenschaft zu füllen. „Man muss nicht bis oben richten. Der Nachwuchs macht mindestens genauso viel Spaß.“ Und wer einmal einen angesehenen Richter wie Reinhold Ross beim Richten und Kommentieren einer Führzügelklasse gesehen hat, der weiß, was „mit Leidenschaft füllen“ bedeutet.

Neben der Leidenschaft ist Verantwortung ein wichtiger Aspekt für Bruno Eidam: „Man muss Verantwortung für das Pferd übernehmen können.“ Da ist er wieder, dieser Punkt, dass Richter eine wichtige Instanz in diesem ganzen Gebilde aus Turniersport, Reiten und Ausbildung sind. Dennoch: „Man ist ja nicht alleine, es sind immer erfahrene Kollegen vor Ort“, sagt Bruno Eidam. Eidam liegt noch unter dem Durchschnittsalter der rheinland-pfälzischen Richter. Damit sich das möglichst schnell ändert, hofft er auf jüngere Kollegen, die das etablierte Richterkollegium verstärken. Denn sie sichern die Zukunft: „Und da ist jeder aktive Pferdesportler in der Pflicht“, verdeutlicht er noch einmal. „Sonst sitzt in zehn Jahren keiner mehr im Richterhäuschen, wenn man selbst oder die eigene Tochter zur A-Dressur oder zum E-Springen grüßen will.“

Autor: Eva Schaab

Kontakte und Termine

Landeskommission für Pferdeleistungsprüfungen

Vorsitzender: Bruno Eidam, Erbes-Büdesheim

 

Geschäftsstelle Pferdesportverband und Landeskommmission Rheinland-Pfalz

 

Fachbeirat Richter und Parcourschefs

Vorsitzender: Heinrich Kindler, Westheim

 

Am 6. Februar 2021 findet ein Informationstreffen  zur Richterausbildung für alle Interessierten statt. > zur Anmeldung

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